19.10.2022
Nach Urteil des Bundesarbeitsgerichts
Ein Plädoyer für die systematische Arbeitszeiterfassung: Wieso sie Mitarbeitende schützt und Unternehmen Planungssicherheit bietet
Andreas Reuter, CEO der SSI Schäfer Shop GmbH, über die Potentiale des Urteils zur Arbeitszeiterfassung.
Was durch den richterlichen Entscheid des Europäischen Gerichtshofs bereits im Mai 2019 verkündet wurde, rückt nun auch in Deutschland auf die politische Agenda: Mit einem Grundsatzurteil zog das Bundesarbeitsgericht (BAG) im September 2022 nach und verpflichtet Unternehmen, die Arbeitszeit von Mitarbeiter:innen systematisch zu erfassen. Der Richterspruch hat zwar den Sachverhalt per se geklärt, jedoch längst nicht alle Fragen dazu. In Zeiten von New Work, dem Wunsch nach minimalem Bürokratieaufwand und häufig gelebter Vertrauensarbeitszeit am Arbeitsplatz besteht Diskussionsbedarf: Wie soll das Gesetz zur systematischen Arbeitszeiterfassung konkret ausgestaltet werden?
Zweifelsohne verfolgen das Urteil des EuGH sowie der jüngste Entscheid des BAG ein wichtiges Ziel: die Stärkung des Arbeitsschutzes von Mitarbeitenden. Schließlich lassen sich durch die Zeiterfassung die tatsächlich erbrachte Arbeitszeit akkurat protokollieren und Überstunden aufdecken.
Davon profitieren auch Unternehmen, denn die systematische Erfassung erlaubt Planungssicherheit. Es können Rückstellungen gebildet und die Organisation besser gesteuert werden. Die tatsächlich gemessenen Arbeitszeiten geben im Gegensatz zu Planungswerten eine realistischere Auskunft über das Arbeitsvolumen. Habe ich genug Mitarbeiter:innen angestellt oder muss ich auf dem Arbeitsmarkt aktiv werden? In welchen Unternehmensbereichen sind meine Mitarbeitenden stark ausgelastet oder gar überlastet? Solche Schieflagen werden sichtbar, wodurch Unternehmen besser handeln können. Regelmäßige Entwicklungsgespräche mit den Mitarbeiter:innen ergänzen die Grundlagen für strategische Entscheidungen um eine weitere Perspektive.
Bei den genannten Chancen für mehr Arbeitsschutz und unternehmerische Planungssicherheit ist das Urteil dennoch keineswegs frei von Kritik: In Zeiten von New Work ist noch unklar, welche Auswirkungen es auf die vielmals praktizierte Vertrauensarbeitszeit oder das Homeoffice hat. Unternehmen sowie Mitarbeiter:innen fürchten, dass die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung das Ende der flexiblen Arbeitsmodelle einläutet. Auch ist die Sorge groß, dass die Kontrolle durch Arbeitgeber:innen steigt und sie mithilfe der Messung „unproduktive“ Arbeitnehmer:innen ausfindig machen, was zu einem Wettstreit um Überstunden oder gar Kündigungen führen könnte.
Auch wenn ich die Bedenken aufgrund der Ungewissheit nachvollziehen kann, teile ich diese Befürchtungen nicht. Flexible Arbeitszeitmodelle können trotz oder gerade aufgrund des Urteilsspruchs weiterhin bestehen, wenn sie bestimmte Bedingungen erfüllen. Durch gesetzte Leitlinien können Mitarbeitende ihre Arbeitszeit weiterhin selbstständig gestalten und sich individuelle Freiräume schaffen, beispielsweise für die Kinderbetreuung am Nachmittag. Sie agieren innerhalb eines Stundenkontigents und können Tätigkeiten außerhalb der Kernarbeitszeit, etwa in den Abendstunden oder am Wochenende, ordentlich erfassen. Das Vertrauen in die Mitarbeiter:innen an der Arbeitszeit zu messen, ist ebenfalls der falsche Weg. Gleiches gilt für die Annahme, dass Überstunden ein Zeichen für Produktivität seien. Diese Denkweise muss in der Unternehmenskultur verankert sein und entsprechend gelebt werden.
Bei allen Vorteilen, die das Urteil zur Arbeitszeiterfassung in meinen Augen für Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen bietet, wird viel von der weiteren Ausgestaltung des Arbeitsrechts durch die Politik abhängig sein. Mein Wunsch: Die Bürokratie sollte auf ein Minimum reduziert werden. Deshalb sind Lösungen notwendig, die sowohl in einem 5-Mann-Betrieb als auch in einer börsennotierten AG umsetzbar sind. Gegebenenfalls sollten verschiedene Systeme genutzt werden.
Laut EuGH-Urteil sollen die Systeme nachvollziehbar und fälschungssicher sein, was digitalen Lösungen den Vorrang gibt. Dennoch sollte es kleinen Unternehmen gerade zu Beginn noch möglich sein, mit schlichten Listen zu arbeiten, statt die Arbeitszeiten elektronisch zu erfassen.
Es bleibt spannend, wie die Politik hier weiter verfährt. Eine „One fits all“-Lösung ist in meinen Augen nicht zielführend.
Über Schäfer Shop
Seit über 45 Jahren ist Schäfer Shop einer der führenden Komplettausstatter für Gewerbe- und Privatkunden im Bereich Büro-, Lager- und Betriebseinrichtungen. Nachhaltiges Wachstum, wertebasierte Zusammenarbeit und starke Kundenbindung machen das mittelständische Familienunternehmen so beständig und erfolgreich. Trotz Heimatverbundenheit ist Schäfer Shop mit Sitz in Betzdorf einer der angesehensten Ausstatter in Europa. Andreas Reuter ist seit 2012 CEO der SSI Schäfer Shop GmbH. Zuvor war er über 10 Jahre in verschiedenen Positionen bei der Staples Deutschland GmbH tätig. Zuletzt als Geschäftsführer für das Multichannel Unternehmen.
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